Genua, Nîmes, San Francisco - und in den Kleiderschrank
Sie ist möglicherweise das beliebteste Kleidungsstück der westlichen Welt: Die Jeans. Kaum ein Kleiderschrank ohne sie. Dabei startete sie ihre Karriere als Arbeitshose.
Die spannende Geschichte der Jeans
Die französische Stadt Nîmes ist den meisten Menschen heute, wenn überhaupt, dann für ihre Monumente aus der Römerzeit bekannt. Dabei zeichnet sie verantwortlich für etwas, das heute vermutlich Milliarden Menschen auf der Haut tragen: Denim, den Stoff, aus dem die Jeans gemacht ist. Im 19. Jahrhundert war er recht populär. Zur gleichen Zeit passieren verschiedene Ereignisse, welche den Weg für die Jeans, wie wir sie heute kennen, ebneten:
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Ein Franke aus ärmsten Verhältnissen (sein Vater war Hausierer und jüngst verstorben) machte sich zusammen mit seiner Familie an die amerikanische Westküste auf, um im Goldrausch sein Glück zu finden. In San Francisco baute er mit seinem Brüdern einen Kurzwarenhandel auf. Sein Name ist Löb Strauss.
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Der Goldrausch in den USA und in Kanada erlebt eine Hochzeit. Unzählige Menschen aus aller Welt wandern ein und versuchen sich an der harten Arbeit, die damit verbunden ist - oder darum herum, beim Aufbau der Infrastruktur etc.
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Unter ihnen ist auch der junge russische Schneider Jacob Youphes - später Jacob W. Davis. Er fand in Nevada sein Glück. Hier gab es eine große Nachfrage an Kleidung, denn die harte Arbeit in den Minen und Wäldern sorgte bei vielen Kleidungsstücken für eine sehr geringe Lebenserwartung.
Und dann küsste Jacob W. Davis die Muse: Eine Dame bat ihn, eine haltbare Arbeitshose für Ihren Gatten zu entwerfen, einen Holzarbeiter. Jacob entschied sich für eines der robustesten Materialien, die er kannte: Serge de Nîmes , das "Tuch aus Nîmes". Es war ein in Köperbindung gewebter Baumwollstoff, teilweise eingefärbt mit Indigo. Dieser Stoff war aufgrund seiner Webart äußerst widerstandsfähig. Gleichzeitig hatte es gegenüber anderen festen Materialien wie Leder den Vorteil, sehr flexibel zu sein und der Bewegung des Körpers zu folgen.
Der Clou: Die Nieten
Wer heute eine moderne Arbeitshose sieht, etwa von der sympatischen Marke mit dem Straußenlogo, der wird feststellen: Das Stück hat mehr Taschen als ein durchschnittliches IT-Girl. Diese dienen aber nicht nur der Coolness, sondern werden auch wirklich benötigt, um bei der Arbeit alles Nötige bei sich zu haben und gegebenenfalls Funde zu verstauen. Das ist heute nicht anders als damals im Goldrausch. Man mag sich den Ärger eines Goldsuchers vorstellen, der sich ein vielversprechendes Stück Erz in seine Tasche steckte, nur um später festzustellen: Das Stoffstück ist während der harten Arbeit abgerissen, das Nugget verloren.
Jacob W. Davis machte dem ein Ende. Der Legende nach stellte er das bestellte Kleidungsstück fertig, komplett mit den ikonischen Taschen und Doppelnähten, als er in seiner Werkstatt die übrig gebliebenen Nieten eines Pferdegeschirrs fand. Eines seiner Hauptgeschäfte war nämlich Zubehör für die Reittiere. Befeuert durch einen Geistesblitz, nutzte er die Nieten, um die Taschen der bestellten Hose zu verstärken. Auch die Schwachstellen der wichtigsten Nähte stattete er damit aus. Und diese Hose wurde damit zum Kassenschlager, nicht nur bei der Frau des Holzfällers.
Zielgruppe, Angebot und Nachfrage
Es folgte eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Die vernieteten Hosen waren genau das, was den Wildwest-Pionieren gefehlt hatte! Auch der Stoff aus Nîmes - amerikanisiert zu Denim - bewährte sich. Die Zielgruppe war also vorhanden, die Nachfrage auch - nun begann es am Angebot zu scheitern. Denn ein einzelner Schneider - auch, wenn er noch so schnell arbeitet - hat letztlich nur zwei Hände und sieben Wochentage, um zu nähen. Und hier kommt Löb Strauss ins Spiel, der Jacob seine Tuchballen lieferte und inzwischen Levi heißt. Er hatte sich in den letzten Jahren ein lukratives Geschäft aufgebaut. Zusammen mit Davis meldete er 1873 das Patent für die robuste Hose an, die auch als Arbeitsoverall produziert wurde. Um sich von den billigen Imitaten zu unterscheiden, entwarf Davis eine verschlungene Doppelnaht für die Potaschen.
Man mag rätseln, welche Marketing-Kanäle vor der Jahrhundertwende genutzt wurden. Auf jeden Fall schlug das Produkt ein wie eine Bombe. Das Patent wurde 1973 im März angemeldet. Bis zum Jahresende wurden bereits rund 70.500 Hosen und Mäntel verkauft! Zehn Jahre später hatte sich das Unternehmen zu einem kleinen Konzern entwickelt, mit mehreren Fabriken und fast 550 Angestellten.
Noch heute ist Levi Strauss & Co einer der wichtigsten Hersteller für Jeans, mit rund 14.000 Beschäftigten und fast 5 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. Der Klassiker, "Levi's 501", ist damit schon seit dem 19. Jahrhundert eine der berühmtesten Hosen der Welt.
Denim? Jeans?
Aber Moment einmal: Jeans? Wie kommen wir nun eigentlich von "Denim" auf den heute gebräuchlichen Begriff? Dafür müssen wir noch weiter in die Vergangenheit schauen: Nach 1795, wo ein Schweizer Banker namens Jean-Gabriel Eynard nach Genua kam. Aus einem Tuch, dass er dort entdeckte, fertigte er Uniformen. Die Farbe des Stoffes nannte er nach Genua "bleu de Genes" - auf Englisch klingt das wie "Jeans". Gemeint war damit allerdings zunächst nur die Farbe. So richtig populär wurde der Begriff erst in den 1960er Jahren.
Was James Dean damit zu tun hat
Durch James Dean und Konsorten wurden die Jeans in den 1950er Jahren ein Zeichen der rebellischen Jugend. Aber wie es so oft ist mit Subkulturen, wurden sie in den 60er Jahren schon Teil des Mainstreams. Jeans zu tragen war jetzt salonfähig geworden. Spätestens in den 1970er Jahren hatte fast jeder jüngere Mensch Jeans im Schrank - und an den Beinen.
Abgerissene Gestalten
In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Phasen, in denen zerrissene Jeans oder Stoffe im Used Look populär waren, während Eltern auf der ganzen Welt die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Dabei hat der Trend seinen Ursprung zur Jugendzeit unserer Großeltern: In der Juni-Vogue von 1935 wurde eine modische Jeans im Used-Look präsentiert. Ihren Weg in die Mainstream-Mode fanden diese Art der Jeans aber erst 1965. Hier wurden die Hosen dann auch durch Patches, Stickereien und mehr personalisiert und in zahlreichen Waschungen angeboten. Somit vollendete die Jeans ihren Weg von der ultra-haltbaren Arbeiterhose zum individuellen Statement ihres Trägers.